Die dreizehn Monate

von Erich Kästner

Der Zyklus Die dreizehn Monate (1955) ist die letzte Gedichtveröffentlichung Kästners. In schlichten und zugleich ergreifenden Bildern weist der melancholisch gestimmte Dichter uns Zivilationsmenschen auf die ewige Schönheit der Natur hin. Auf dieser Reise durch die Monate lässt er uns Dinge amüsiert oder gerührt wiederentdecken die wir in unserer Kindheit zutiefst empfunden haben. Dabei entzücken uns seine meisterlich hingetupften Bilder genauso wie seine nonchalanten, witzigen Gedankenverbindungen.

In jedem Monat verweist Kästner auf die Allgegenwart der Zeit, die für uns unerbittlich vom Neujahrstag unseres Lebens auf unseren letzten Dezembertag „zufliegt“. Sie kontrastiert mit der Zeit in der Natur, die sich im Jahreskreis immer wieder erneuert, so dass der Mai uns Verzweifelnden beim Abschied tröstend zurufen kann: „Ich komm ja wieder!“

Dieses kontrapunktische philosophische Grundgerüst der Gedichte wird belebt von einer bunten, quirligen Welt von Personifikationen aus dem Bereich der Natur: der Januar tanzt auf dem Eis, die Märzsonne sitzt am Ofen, der Aprilregen spielt Klavier ... Diese belebte Welt weist zurück auf archaische Zeiten, die für uns jedoch seit Kindestagen durch die Märchen tief vertraut sind.

Kästners Verse sind eine besondere Mischung aus kabarettistischer, zivilisationskritischer, großstädtischer Nonchalance und der schlichten Empfindsamkeit des Kinderbuchautors. Entsprechend verwendet die Vertonung bildhaftes parodistisches oder dann auch anrührendes Material: der Regen darf klimpern, die Hasen hoppeln, der Hahn krähen und die Zeit fliegen, doch die zumeist melancholischen Schlüsse zielen eingedenks der übergreifenden Vergänglichkeitsthematik auf tiefere Schichten unseres Empfindens.

Musik ist die  Kunstform der Zeit. Nur Musik kann sie unmittelbar darstellen und erlebbar machen. Mehr noch, sie ist  Zeit, und zwar hörbar gemachte Zeit, welche die unterschiedlichen Aspekte, in denen wir sie empfinden, wunderbar darstellen und vertiefen kann. Und wenn die Zeit hier bei Kästner „fliegt“ (Juni), „frösteln geht“ (Oktober), still steht (Juli) oder „alt und gar nicht gesund“, d.h. wenig beweglich und im Affekt reduziert, ist (Dezember), wird klar, was für eine einmalige Herausforderung und Möglichkeit dieser Gedichtzyklus für einen Liedkomponisten ist.

Wenn man einmal die Vorspiele der einzelnen Lieder durchgeht, zeigt sich, wie viel Beachtung diese Vertonung dem Zeitaspekt, aber auch generell dem Grundaffekt der jeweiligen Monatsdichtungen gibt, während die Schlüsse in ihrer Nachdenklichkeit jeweils zurückkehren zu Kästners emotionalen, melancholischen Grunddisposition.

Hartwig Riedl

Im Jahr 2019 entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten eine Bearbeitung des Liederzyklus' für gemischten Chor von Thomas M. J. Schäfer.

Die dreizehn Monate - Probepartitur (Ausschnitte)

Riedl - Die 13 Monate_Sopran+Klavier_Probepartitur_Ausschnitte.pdf (9,7 MiB)

Die dreizehn Monate - Hörproben

Der Januar

Der Mai

Der Juli

Der September

Der 13. Monat

Dorothea Craxton, Sopran - Philip Gammon, Klavier

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